Viele tun sich nach wie vor schwer, in den Service am Kunden und in die Servicequalität zu investieren. Dabei wären die konsequente Kundenzentrierung und Serviceorientierung Schlüsselfaktoren, um relativ rasch und nachhaltig Kosten senken zu können. Und, da die Kunden, Mitarbeitenden und Geschäftspartner deutlich zufriedener und begeistert sein werden, werden sich diese Massnahmen mittelfristig auch positiv auf Umsatz und Gewinn auswirken.
1. Bestandeskunden halten und pflegen
Kundengewinnung kostet 10 x mehr
Es ist unterdessen eine Binsenwahrheit, dass es 10 x teurer ist Kunden zu gewinnen, als bestehende Kunden zu halten. Trotzdem wird vielerorts nach wie vor deutlich mehr in Marketing und Vertrieb „investiert“, als in ein ganzheitlich begeisterndes Kundenerlebnis und das Kundenbeziehungsmanagement. Es fühlt sich mancherorts ein wenig an wie in vielen amerikanischen Hotels: Aussen hui, innen pfui.
Bestandeskunden sind kaufwilliger
Jeden Kunden, den wir halten und ausbauen können, müssen wir nicht (wieder)gewinnen. Kunden, die schon einmal gekauft haben, haben eine deutlich höhere Kaufbereitschaft, als solche, die noch nicht gekauft haben. Der Hauptgrund ist, dass bereits ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden konnte.
Investitionen in Produkte für Bestandeskunden
Diesen Umstand sollten wir nutzen und insbesondere in die Entwicklung von Up- und Crossselling-Produkten investieren.
Und dann müssen wir sicherstellen, dass wir in allen Prozessen und an allen Kundeninteraktionspunkten einen begeisternden Service sicherstellen können. Womit wir zu den nächsten Punkten kommen.
2. Prozesseffektivität und –effizienz
Prozesseffektivität vor -effizienz
Zunächst ist mir hier die Prozesseffektivität wichtig. Bevor wir uns um effizientere Prozessabwicklungen kümmern sollten, sollten wir prüfen, ob wir auch tatsächlich das Richtige tun. Viele Prozesse sind über die Zeit entstanden, aus einer Innensicht und entlang der immer noch weit verbreiteten Siloorganisationen.
Weil wir das schon immer so gemacht haben
Wenn auf die Fragen, „Warum machen wir das?“ und „Warum machen wir das sol?“, die Antwort lautet, „Weil wir es immer so gemacht haben.“, dann sollten Sie genauer hinschauen. Es kann sein, dass Sie alte Zöpfe entdecken, die schon lange hätten abgeschnitten werden sollen.
Standard-, Spezial- und Ausnahmefälle – das doppelte Prozess-Pareto-Prinzip
Für die Steigerung der Effizienz und das Priorisieren der Massnahmen und des Mitteleinsatzes lohnt es sich, seine Prozesse in Standard-, Spezial- und Ausnahmefälle zu unterteilen. Ich nenne es das „doppelte Prozess-Pareto-Prinzip“. Jedes Geschäft bearbeitet zu ca. 80 % Standardfälle, ca. 16 % Spezial- und rund 4 % Ausnahmefälle.
Standardfälle automatisieren und an die Kunden delegieren
Da Standardfälle das höchste Volumen aufweisen, sind sie prädestiniert dazu, automatisiert zu werden. Im Idealfall können solche Fälle auch vollständig durch die Kunden selbst abgewickelt werden. Ein gut inszenierter und implementierter Self-Service ist meist besser und kostengünstiger und er kann 7×24 angeboten werden. Für begeisternde Kundenerlebnisse sind solche Prozesse möglichst friktionslos abzubilden. Amazon macht es vor.
Grosszügig Kompetenzen delegieren
Effizient sind Prozesse zudem dann, wenn diejenigen Personen, die im direkten Kundenkontakt stehen, selbstständig und abschliessend handeln und entscheiden können. Dazu benötigen sie die entsprechenden Handlungs- und Entscheidungskompetenzen. Prozesse, in denen immer bei einer vorgesetzten Stelle nachgefragt werden muss, ob beispielsweise dem Kunden in einer Sache entgegengekommen werden kann, sind aus Kundensicht störend und höchst ineffizient. Und auch für die Mitarbeitenden ist dies äusserst frustrierend, da sie gegenüber den Kunden nicht kompetent auftreten können. Sie werden dadurch in ihrer Selbstständigkeit und Selbstsicherheit gehemmt sowie in ihrem Stolz verletzt.
3. Portfoliobereinigung
Viele Produkte und Services beinhalten eine Unmenge an Eigenschaften. Oft sind sie über die Jahre dazugekommen. Meist verkomplizieren sie die Sache nur unnötig, das wenigste wird genutzt.
Kunden wollen es möglichst einfach haben. Wissen Sie, was Ihre Kunden wirklich wollen? Können Sie auswerten, was genutzt wird? Haben Sie Ihre Kunden schon einmal gefragt?
Auf einiges könnten Sie bestimmt verzichten, was für die Kunden „wertlos“ ist, Ihnen jedoch Kosten verursacht.
Einen Hinweis muss ich allerdings aus einer verkaufspsychologischen Sicht anbringen. Kunden schätzen es, eine Auswahl zu haben. Prüfen Sie daher immer vor dem Eliminieren, ob eine Funktion bzw. ein Produkt ev. nur dazu dienen soll.
4. Touchpoint-Bereinigungen
Wissen Sie, wo und wie sich Ihre Kunden informieren und wie sie mit Ihnen interagieren wollen? Unterhalten Sie vielleicht Marketing- und Kontaktkanäle, die irrelevant sind und die Sie abstellen könnten? Haben Sie entsprechende Statistiken und Messmöglichkeiten? Testen Sie regelmässig, ob Sie etwas verändern können und was welchen Erfolg bringt?
5. Kundenreklamationen reduzieren
Ja, es stimmt schon, Kundenfeedback bringt uns weiter. Vorausgesetzt wir lernen daraus und nehmen die notwendigen Veränderungen vor.
Vermeiden statt bearbeiten
Bevor Sie in effizientere Beschwerdeabwicklungsprozesse investieren, sollten Sie versuchen Beschwerden zu vermeiden. Wer die Ursachen bekämpft, muss keine Symptome behandeln. Denn das Bearbeiten von Beschwerden mündet oft in irgendwelchen monetären Zugeständnissen (Preisnachlässe, Rückvergütungen, Gratis-Zusatzleistung oder –Produkte) und auch die Abwicklung selbst kostet Geld. Das muss nicht sein, denn Kundenerwartungen können gesteuert werden.
Das Management von Erwartungen
Kunden erwarten vereinfacht gesagt das, was Sie Ihnen versprechen. Das tönt einfach, gestaltet sich jedoch in der Praxis oft als schwierig. Marketing und Vertrieb versprechen gerne das Blaue vom Himmel. Dinge, die die abwickelnden Einheiten dann so nicht erfüllen können. „Sie müssen verstehen …“, heisst es dann oft. Doch Kunden müssen nichts verstehen, insbesondere dann nicht, wenn sie in die Irre geführt wurden. D.h. Marketing, Vertrieb und Abwicklung müssen gut aufeinander abgestimmt sein. Die Erwartungen, die geweckt werden, müssen erfüllt und übertroffen werden können. Nur so werden aus Kunden loyale Fans.
Basics von begeisterndem Service einhalten
Aber auch in der Abwicklung und im Kundenbeziehungsmanagement selbst passieren Fehler. Es gibt einige Grundlagen, die respektiert werden müssen: Erreichbarkeit, Freundlichkeit und Begeisterung, Kompetenz sowie Zuverlässigkeit. Viele Unternehmen sind schlecht erreichbar und man muss sich durch einen langen Baum von Fragen durchklicken, bis man nach einer gefühlten Ewigkeit in der Warteschlange endlich mit einem Sachbearbeiter verbunden wird; der dann trotzdem nicht helfen kann. Da dann alle genervt sind, hapert’s oft auch mit der Freundlichkeit, von Begeisterung hüben wie drüben gar nicht zu sprechen. Und vieles bleibt unverbindlich. Zuverlässigkeit bedeutet klar abzumachen, wer, was, bis wann erledigt, und das dann einzuhalten.
Reklamationen als Verkaufschance nutzen
Der Artikel handelt zwar vom Kostensenkungspotenzial durch Customer Experience Management, dennoch hier ein kurzer Hinweis zu Beschwerden als Verkaufschancen. Wer seine Kunden im Beschwerdeprozess ernst nimmt und auf ihre Anliegen eingeht (Achtung, d.h. nicht, dass man Zugeständnisse machen muss, ausser man ist im Fehler), findet mit dem Kunden oft heraus, was er oder sie zusätzlich an Leistungen benötigt, und kommt so zu einer Verkaufschance. Ein so betreuter Kunde wird dann erst recht zu einem loyalen Kunden.
6. Mitarbeiter gewinnen und halten
Bei Mitarbeitenden ist es ein wenig wie bei den Kunden. Bestehende Mitarbeitende zu halten ist deutlich günstiger, als neue zu suchen, finden und einzuarbeiten. Oft kann der Wissensverlust erst viele Monate später kompensiert werden. Und auch das Team geht jedes Mal wieder durch den Teambildungsprozess durch. Das kann schnell einmal mehrere 10‘000 Franken bzw. Euros verschlingen. „Never change a winning team“, heisst es. Dazu müssen Sie allerdings sicherstellen, dass es ein Gewinnerteam ist.
Employee first (Richard Branson)
Begeisternde Kundenerlebnisse werden von begeisterten Mitarbeitenden erzeugt. Auch das tönt logisch. Doch wie schaffen Sie es, die Mitarbeitenden zu begeistern? Das hat zunächst mit Leadership zu tun. Damit meine ich nicht Führung. Leadership bedeutet zunächst, den Mitarbeitenden eine klare Mission und Vision des Unternehmens sowie wenige, aber ebenso klare Rahmenbedingungen anzubieten. Dadurch kann bereits beim Einstellungsgespräch die Passung zum Unternehmen geklärt werden. Wer in der Mission und Vision einen Sinn für sich selbst findet, kann sich zu 100 % mit dem Unternehmen identifizieren und wird entsprechend glaubwürdig den Kunden dienen können.
Das Team
Kundenbegeisterung ist Teamwork. Aus Kundensicht zählt nur das Gesamterlebnis. Daher ist auch hier bereits während der Einstellungsphase und auch während der Probezeit die Teammeinung einzuholen. Wenn festgestellt wird, dass die Person nicht passt, dann muss dies nicht ausprobiert werden. Frustration und eine mindere Performance des Gesamtteams sind vorprogrammiert.
Homeoffice und Co.
Nicht erst seit Corona wünschen sich etliche die Möglichkeit, von zu Hause aus bzw. flexibel arbeiten zu können. Hier können Sie künftig zwei Fliegen mit einer Klatsche schlagen. Die Mitarbeitenden, die dies wünschen, werden zufriedener sein und Sie benötigen weniger Arbeitsplätze an ihren Unternehmensstandorten.
7. Geschäftspartner gewinnen und halten
Bei Geschäftspartnern verhält es sich ähnlich wie bei Mitarbeitenden. Auch sie müssen sich mit Ihrer Mission und Vision identifizieren können, insbesondere dann, wenn Sie Aufgaben, die direkt mit Ihren Kunden zu tun haben, an Dritte auslagern.
Ist die Passung nicht gegeben, werden diese Partner Ihre Kunden verärgern, was sich wiederum in erhöhten Beschwerdezahlen auswirkt und die beschriebenen Konsequenzen nach sich zieht.
Fassen wir die Einsparungspotenziale von gutem Service am Kunden zusammen:
- Es ist 10 x teurer neue Kunden zu gewinnen, als bestehende zu halten und die Beziehungen zu vertiefen. Investitionen in Kundenbeziehungsmassnahmen zahlen sich rasch und vielfach aus: tiefere Kundenfluktuation, höhere Upsellraten, tiefere Marketing- und Vertriebskosten.
- Durch eine Bereinigung des Leistungsportfolios und der Kundenberührungspunkte (touchpoints) ausgehend von den Kundenbedürfnissen können sowohl Kosten eingespart als auch die Kunden besser und nachhaltiger zufriedengestellt und begeistert werden.
- Mitarbeiterfluktuation bewirkt einen Erfahrungs- und Wissensabfluss, und die Kosten für die Rekrutierung und Einarbeitung gehen rasch in die Zehntausende. Der Onboarding-Prozess dauert in der Regel 3 bis 6 Monate und das gesamte Team muss sich jeweils neu finden. Durch Leadership und die Sicherstellung des Unternehmensfits des neuen Kollegen / der neuen Kollegin bereits während der Einstellung und Probezeit können hier massiv Kosten eingespart werden. Die positive Teamstimmung fördert dann auch begeisternde Kundenerlebnisse.
- Prozessineffektivitäten und –ineffizienzen, durch organisationale Silos sowie eliminier- und vermeidbare Geschäftsfälle, verursachen hohe Bearbeitungskosten und frustrieren sowohl Kunden als auch Mitarbeitende. Durch Standardisierung, Automatisierung und Self-Service lassen sich Kosten teilweise massiv senken (80 % Kostenreduktion ist keine Seltenheit).
- Kundenreklamationen und –rückgewinnungsaktionen sind mehrheitlich Geldverschwendung, da sie vor allem Kosten verursachen. Die Ursachen für Beschwerden sind daher zu identifizieren und zu eliminieren.
- Und auch die Geschäftspartner sollen zum Unternehmen passen und sich damit identifizieren können. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sie ebenfalls mehr Kosten als Nutzen verursachen. Es verhält sich ähnlich wie bei den Mitarbeitenden.
Nutzen Sie die momentane Zeit der Veränderung, um die notwendigen Korrekturen anzubringen und sich kunden- und serviceorientierter aufzustellen.
Sie haben Fragen oder brauchen Unterstützung? Zögern Sie bitte nicht, mich unverbindlich zu kontaktieren.
Viel Erfolg beim Begeistern Ihrer Kunden!
Ihr Roger Schmid