Ferienzeit – die beste Zeit von Anderen zu lernen (Teil 2)

Unsere Familien-Sommerferien sind vorbei. Und wieder bin ich um einige Serviceerfahrungen reicher. Hier drei Müsterchen.

Dieses Jahr haben wir uns für Campingferien an der Costa Brava in Spanien entschieden. Nach gut 12 Stunden Reisezeit, davon 3 Stunden im Stau, waren wir endlich an der Campingpforte eingetroffen.

Aus lauter Gewohnheit und Ignoranz

Meine Frau und ich meldeten uns also an der Camping-Rezeption an. In Spanien sprechen wir selbstverständlich Spanisch. Meine Frau ist Peruanerin, Spanisch daher ihre Muttersprache, und da wir schon einige Jahre zusammen sind, ist mein Spanisch ebenfalls sehr gut. Dennoch spricht die „nette Dame“ am Empfang einfach Englisch mit uns, obwohl sie laut Sprachinformation bei ihrem Namen Spanisch kann. Also wickeln wir die Formalitäten halt auf Englisch ab, obwohl meine Frau kein Wort Englisch spricht. Auch ein Lächeln oder ein „Herzlich willkommen. Schön, dass Sie bei uns sind!“ oder „Geniessen Sie Ihre Ferien!“ brachte die Rezeptionistin nicht über ihre Lippen.

Eigentlich schade, es wäre so einfach. Der Empfang macht hier schon einiges falsch. Freundlichkeit und Begeisterung sind zwei von fünf Basiskompetenzen, wenn es um begeisternden Service geht. Zum Glück ist der Platz ansonsten jeden seiner Sterne wert, beispielsweise sind die Zeltplätze ausreichend gross und die Sanitäranlagen sehr sauber.

Versprechen sind mindestens einzuhalten

Sonne, Strand, gute Laune – Lust auf ein Eis. So schlendern mein Sohn und ich zur Eisdiele. Die Auslage sieht vielversprechend aus, im Hintergrund wunderbare Bilder von Coupes und Eis im Waffelcornet. Der junge Sevicemitarbeiter liess sich sofort in ein Gespräch ein und war scheinbar gut drauf. Hier werden wir also freundlich bedient.

Mein Sohn bestellte zwei Kugeln seiner Lieblingseissorten in der Waffel. Doch Waffeln waren leider aus. Na dann halt im Pappbecher. Ich bestellte dann einen Eisbecher, so wie auf den Fotos im Hintergrund abgebildet. Doch weit gefehlt. Der Mitarbeiter hatte seinen ersten Arbeitstag und wurde nicht eingeführt. Zweiter Rückschlag.

Zwei Servicegrundsätze werden hier verletzt. Die durch die Hintergrundbilder geweckten Erwartungen wurden nicht erfüllt. Entsprechend enttäuscht waren wir. Zweitens fehlte dem Mitarbeiter die Kompetenz, um mein Kundenbedürfnis zu befriedigen. Wahrscheinlich hat ihm die entsprechende Einweisung und Ausbildung gefehlt. Es würde wenig Aufwand bedeuten, beide Aspekte besser zu lösen.

Nach einigen Tagen am Strand, mit leichtem Sonnenbrand und bei mässigem Wetter entschieden wir uns, der nahe gelegenen Stadt Girona einen Besuch abzustatten. Meine Frau und meine Tochter waren natürlich begeistert: Shopping!

Zu viel des Guten

Die Tochter hatte dann die Idee, sich ein weiteres Ohrloch machen zu lassen. Also rein ins nächste Tattoo- und Piercing-Studio. Der Piercer und Tätowierer, selbst ein Prachtstück seiner Körperkunst, hat dann zunächst unserer Tochter und uns erklärt, warum er seine Löcher mit einer Nadel sticht und nicht wie im Bijouteriegeschäft üblich mit einer Pistole schiesst. Er war sehr kompetent und ganz offensichtlich sehr bewandert in Medizin, Anatomie, Hygiene, etc. Nach gut 10 Minuten wussten wir, dass wir alle bisher Glück hatten, keine schlimmeren Verstümmelungen durch bisherige Ohrpiercings erlitten zu haben. Meine Tochter sollte es sich überlegen und nach der dreistündigen Siesta zurückkehren. Was wir dann nicht getan haben.

Übrigens: Meine Tochter ging einige Tage später nochmals nach Girona. Das Loch hat sie sich dennoch nicht stechen lassen. Was ist hier passiert? Was gut gemeint war, ging deutlich zu weit. Statt den Kundenwunsch zu erfüllen – ein zusätzliches Ohrpiercing – wurde „Vertrauen“ aufgebaut und so viel Produktwissen (Kompetenz) vermittelt, dass meine Tochter verwirrt war und es sich nochmals überlegen wollte. Ausserdem konnte der Piercer nicht wissen, ob wir Touristen nach der Siesta überhaupt noch in Girona sein würden.

Fazit: Wir haben viel über Körperkunst gelernt, waren danach aber verunsichert und nach dem Mittagessen sind wir zum Camping zurückgefahren. Das zweite Ohrpiercing wird sich meine Tochter wahrscheinlich irgendwann in der Schweiz „schiessen“ lassen.

Welches sind Ihre Ferien-Serviceerlebnisse? Was können Sie daraus lernen? Welches sind die dahinterliegenden Servicegrundsätze und wie gut sind Sie selbst bzw. Ihre Mitarbeitenden in Bezug auf deren Erfüllung?

Herzliche Grüsse
Ihr Roger Schmid

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