Leadership – Sog oder Druck

Kürzlich habe ich eine Kurseinladung z einem Leadership-Training eines renommierten Bildungsinstituts erhalten. „Sog statt Druck (…)“ lautet der Kurstitel. Auch ich habe die Erfahrung, dass sehr viele Vorgesetzte versuchen, ihre Ziele durch Druck durchzusetzen.

Führen über Sog statt Druck

Viele Managementansätze zielen nun dahin, dass der Druck einem Sog weichen soll. Moderne Führung, Leadership, soll Menschen inspirieren und Sinn stiften, also eine sinnvolle Tätigkeit ermöglichen. Damit bin ich absolut einverstanden. Und es stimmt schon, dass erst wenige Unternehmen wirklich inspirierende Visionen und Leitbilder haben. Die Differenzierung ist oft ungenügend, das grosse Ziel nicht ersichtlich, nach dem Kundennutzen wird vergeblich gesucht. Hier gibt es klar Handlungsbedarf, und viele Manager wären gut beraten, sich zu Leadern zu entwickeln.

Nur, soll wirklich auf Druck verzichtet werden?

Das Unternehmensumfeld wird zunehmend dynamischer, das einzig Konstante sind Veränderungen. Darüber herrscht weitgehend Einigkeit. Dies bedeutet, dass sich alle – jeder und jede einzelne, jedes Team, jedes Unternehmen – laufend anpassen und agil bleiben müssen. Allerdings, wenn wir eines hassen, dann ist es, unsere Komfortzone zu verlassen. Manche tendieren gar dazu, auch schlimmste Verhältnisse schönzureden, nur weil ihnen das Unbekannte mehr Angst macht, als das Bekannte.

Druck und Sog

Und hier spielt dann Druck eine entscheidende Rolle. Lassen Sie mich dies etwas differenzierter betrachten. Ziel jeder Veränderung ist es, diese möglichst rasch zu durchschreiten, da der Auflösungszustand unangenehm ist. Bildlich gesprochen geht es darum, möglichst schnell durch einen Trichter oder einen Schlauch zu gehen. Aus der Physik wissen wir, dass wir den höchsten Durchfluss erreichen, indem wir auf der einen Seite Druck aufbauen und auf der anderen einen Sog erzeugen.

Sog über klare Visionen

Den Sog entwickeln wir über klare Visionen, Handlungsspielraum, inspirierende Rahmenbedingungen. Nur reicht das vielen nicht aus, effektiv ins Handeln zu kommen und Veränderungen anzupacken, dazu braucht es den Druck. Sonst bleibt es beim Träumen und bei wunderbaren Konzepten und Strategien.

Wie also soll Druck erzeugt werden?

Druck über Angst ist keine Lösung

Etliche Führungskräfte erzeugen ihn, indem Sie über Angst, Repressionen und über Kennzahlen wie Umsatz und Gewinn führen. Ganz nach dem Motto: „Wenn du das nicht machst, dann passiert das“. Wer Kinder hat weiss, dass solche Drohungen meist nur Trotz hervorrufen. Dieses Verhalten erzeugt destruktiven Druck, führt zu Dienst nach Vorschrift, (innerlichen) Kündigungen, Low-Performance, Frust, Stress, Depressionen, Krankheiten und sogar Burnout. Ich spreche nicht von diesem Druck. Diesen müssen wir unbedingt vermeiden.

Leidensdruck, der zum Handeln motiviert

Wollen wir die Veränderungsbereitschaft erhöhen, müssen wir einen Leidensdruck erzeugen, der zum Handeln motiviert. Je nach Change Management Methode wird schon mal von einer brennenden Ölplattform (burning platform) oder einem schmelzenden Eisberg (melting iceberg) gesprochen. Mitarbeitende sollen verstehen, warum eine Veränderung notwendig ist. Sie müssen die Situation selbst als unangenehm empfinden und bereit sein, bildlich gesprochen, ins kalte Wasser zu springen und das Vertraute zu verlassen.

Makro und Mikro Change

Es muss gelingen, dass Mitarbeitende erkennen, dass sie selbst direkt von den Veränderungen im Unternehmensumfeld betroffen sind, auch Mikro Change genannt. Nur dann, ist die Mehrheit der Menschen bereit, sich in unbekannte Gewässer zu begeben. Es ist wie beim Klimawandel. Alle sprechen davon, alle wissen, dass es wahrscheinlich negativ ist, doch handeln tun mehrheitlich nur diejenigen, die von Unwettern, Smog, Überschwemmungen usw. direkt betroffen sind oder waren. Bei allen anderen bleibt es beim unverbindlichen „man müsste halt …“.

Gute Leader kombinieren Sog und Druck

Mein Fazit und Erfahrung ist, dass wir sowohl Sog als auch Druck benötigen. Es ist kein Entweder-oder sondern ein Sowohl-als-auch. Gute Leader beherrschen es, beides optimal zu kombinieren.

Die digitale Transformation stellt uns alle vor grosse Herausforderungen und massive Veränderungen. Stellen Sie sicher, dass genügend Druck und Sog vorhanden ist.

Viel Erfolg bei Ihren anstehenden Veränderungen zum Nutzen Ihrer Kunden, Mitarbeitenden und weiteren Anspruchsgruppen.

Herzliche Grüsse und viele begeisterte Fans

Ihr Roger Schmid

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