Liebe Autobranche (und andere)
Vielleicht bin ich bisher an die falschen Garagen geraten, vielleicht sind meine Fahrzeuge nach wie vor zu wenig teuer. Wie auch immer.
Es geht um Emotionen
Ein Motorfahrzeugkauf ist nicht vergleichbar mit einem Kauf eines neuen Kugelschreibers.Es geht um etwas für die meisten höchst Emotionales. Und die Investitionssumme beläuft sich üblicherweise auf ein Mehrfaches eines Monatslohnes.
Sehr viele sind gar bereit, Einschränkungen beim Essen, Wohnen und bei den Ferien in Kauf zu nehmen, nur um sich ihr Traumauto leisten zu können. Wiederum andere verschulden sich.
Personalisieren, individualisieren = Warten
Wer nicht einfach sein Fahrzeug beim Händler ab Platz kauft, sondern nach eigenen Vorstellungen zusammenstellt, muss warten. Individualisierung bzw. Personalisierung und JIT-Produktion (just-in-time) führen oft zu monatelangen Wartefristen.
Wartezeiten, die wir mehr oder weniger gerne in Kauf nehmen. Auch wenn die Vorfreude gross ist, Wartezeiten empfinden wir als unangenehm. Was machen die Autolieferanten und Garagen aus dieser Warteperiode? – Meist nichts!
Gestalten der Wartezeit – schlechtes Beispiel
Nun, ich habe vor etwa fünf Monaten ein relativ teures Fahrzeug bei einem deutschen Hersteller über die Niederlassung in der Schweiz bestellt. Was ist in dieser Zeit passiert?
Der Berater hat die Garage verlassen, erfahren habe ich erst davon, als ich mich selbst über den Stand meiner Fahrzeugauslieferung informieren wollte.
Wenige Wochen vor dem angekündigten Termin fragte ich erneut nach, ob nun der definitive Liefertermin bestätigt werden könnte. Leider nein, denn mein neuer „Kundenberater“ sei in den Ferien.
Über meinen Versicherer habe ich dann den Ausliefertermin erfahren, da auch er sich etwa eine Woche nach mir über den Termin der Fahrzeugeinlösung erkundigt hatte.
Unterdessen habe ich einen Übernahmetermin, allerdings eine Woche später als ich dies gerne wollte, denn die Garage hat keine Zeit.
kein Einzelfall
Ich bin leider kein Einzelfall. Die Automobilhersteller und Garagen haben es offenbar immer noch nicht nötig, sich aktiv um ihre Kunden zu kümmern. Dabei wäre es oft sehr einfach, Warteräume bzw. Warteperioden lustvoll und kreativ zu gestalten.
Kaufreue
Kunden sollen schliesslich keine Kaufreue haben. Sie wollen sich in ihrer Kaufentscheidung und in der Wahl ihres Partners (der Garage) bestätigt fühlen.
Gestalten der Wartezeit – schönes Beispiel
Nun, wie machen es andere besser? Vor einigen Jahren hatte ich einen Massivholztisch bestellt (Der Preis war etwa 50 x günstiger, als derjenige des bestellten Fahrzeuges). Dieser wurde individuell angefertigt. Das braucht verständlicherweise einige Zeit.
Ich hatte erwartet, dass ich mich etwa einen Monat gedulden müsste und dann irgendwann mit einem Auslieferungstermin überrascht würde.
Der Prozess
Doch alle paar Tage erhielt ich eine E-Mail-Nachricht. Darin informierte mich das Unternehmen laufend über den Stand der Entstehung unseres Tisches. Über die richtige Auswahl des Holzes, die Lagerung, die Trocknung, das Verleimen, erneute Trocknung, Zuschneiden usw. Bis der Tisch schliesslich fertiggestellt und zur Auslieferung bereit war.
Wirkung: Begeisterung und Weiterempfehlung
Natürlich waren dies vorgefertigte Bilder und vorgefertigte E-Mails. Sie haben ihre Wirkung jedoch nicht verfehlt. Kosten der Massnahme: sehr gering. Wirkung beim Kunden: Begeisterung und Weiterempfehlung!
Die lange Wartezeit wurde zumindest gefühlsmässig abgekürzt, und ich freute mich täglich mehr. Oft kommen nach einem Kauf Zweifel auf. «Hat man das Richtige bestellt?» «War es vielleicht zu teuer?».
Man spürte die Begeisterung
Nicht bei diesem Tisch. Auch die Auslieferung wurde zelebriert und ich konnte den Schreinern ansehen, dass sie diesen Tisch mit Begeisterung gefertigt hatten und selbst sehr viel Freude daran fanden.
Automatisierung
Der gesamte Betreuungsprozess kann hochgradig automatisiert werden. Das Ganze kostet nur wenige Franken monatlich. Ein paar vorbereitete E-Mails, ein paar schöne Bilder, die Nutzung eines E-Mail-Marketing-Tools bzw. Autoresponders oder eines entsprechenden Webservices. Das ist alles.
Das hätte „meine“ Garage tun können
„Meine“ Garage hätte dies so ähnlich gestalten können. Bei der Vereinbarung des Übergabetermins hat mich der Verkäufer gefragt, ob wir viel Zeit bei der Übergabe benötigen werden. Er wollte insbesondere wissen, ob ich mir bereits verschiedene Youtube-Videoanleitungen zum Fahrzeug angesehen hätte.
Ich hätte profitiert
Dies hätte einfach in einer E-Mail-Marketing-Kampagne automatisiert abgewickelt werden können. Schön häppchenweise hätte ich mich mit den Funktionen des neuen Fahrzeugs vertraut gemacht, ich hätte mich gefreut, die Wartezeit wäre sinnvoll gestaltet und genutzt gewesen.
Die Garage hätte profitiert
Die Garage hätte davon profitiert, dass die Übergabe rascher über die Bühne gehen könnte. Self Service sinnvoll umgesetzt! Tja, ich hab’s nicht gemacht und werde es nun auch nicht nachholen.
Cross- und Up-Selling
Sie können einen solchen Prozess auch ideal für Cross- und Up-Selling ideal nutzen. Man ist nie empfänglicher für ergänzende Produkte, als wenn man sich auf etwas freut.
Wenn ich dann gute, ergänzende Produkte angeboten erhalte, ev. zu einem Vorzugspreis „Wenn Sie heute zuschlagen, profitieren Sie von 10 % Rabatt“, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass Mehrumsätze generiert werden können, noch bevor das Fahrzeug ausgeliefert wurde.
Kompetenz signalisieren
Zudem erschliesst sich der Garage die Chance, sich als verlässlicher und kompetenter Partner zu positionieren.
Es gibt unzählige Sachen, die wir Normalos gerne vergessen oder gar nicht wissen: Z. B. dass eine Autoapotheke ein Ablaufdatum hat und dass wir gebüsst werden können, wenn wir diese nicht ersetzen.
Oder dass in einigen Ländern der Länder-Aufkleber Pflicht ist oder dass einige Städte CO2-Vignetten kennen. Auch dass das Ersatzrad nicht auf der Antriebsachse montiert sein darf oder ob das Mitführen eines Alkoholtests immer noch Pflicht ist.
Es gäbe unzählige weitere Infos, die nützlich sein könnten. Auch kann ich solche Infos während des späteren Kundenlebenszyklus verwenden. Selbstverständlich vollständig automatisiert. Infos vor den Sommerferien, Infos zu Winterrädern, zum richtigen Scheibenspülwasser und, und, und. So bieten sich immer wieder neue Verkaufs- und Begeisterungsmöglichkeiten.
Sie sind nicht aus der Autobranche? Passen Sie es für sich an. Gestalten Sie Ihre Warteräume und -perioden sinnvoll zum Nutzen der Kunden und zu Ihrem eigenen.
Let’s go. Es ist wirklich einfach und äusserst günstig umzusetzen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und stehe gerne bei Fragen zur Verfügung.
Herzliche Grüsse
Ihr Roger Schmid